
Erste Male gibt es nur einmal
Eine Tour durch die Uraufführungen der Ruhrtriennale
Es ist etwas Besonderes, ein Stück zum allerersten Mal zu sehen – bevor die Kritiken erscheinen, bevor die Tournee beginnt, bevor man genau weiß, was einen erwartet. Die Ruhrtriennale 2025 bietet diesen Moment: Fünf Uraufführungen sind über das gesamte Festival verteilt und bieten allen, die ein Werk zum ersten Mal live erleben wollen, genau diese Gelegenheit.
Den Anfang macht I Did It My Way – und das nicht nur, weil es das Festival eröffnet. Dies ist die Art von Aufführung, die Lieder, die sich in unserem kollektiven Gedächtnis festgesetzt haben, freisetzt. Sie folgt einem Paar, dessen Leben sich zwischen persönlichen Geschichten und gesellschaftlichen Umbrüchen bewegt. Das in der Jahrhunderthalle Bochum aufgeführte Stück hallt im wahrsten Sinne des Wortes nach. Ihr könnt das Stück später im Rahmen des Festivals sehen, doch die Energie des Eröffnungsabends ist einzigartig.
Am zweiten Wochenende verwandelt sich die Kraftzentrale in Duisburg. Unter der Regie von Łukasz Twarkowski feiert Oracle seine Weltpremiere – ein ausuferndes, filmisches Theatererlebnis über Alan Turing, KI und die emotionalen Zwischenräume. Die Darsteller:innen bewegen sich dabei zwischen den Jahrzehnten: Swing-Tänze aus den 1940er Jahren und verschlüsselte Geheimnisse aus der Kriegszeit treffen auf Fragen, die direkt in unserer Gegenwart angesiedelt sind. Live-Kameras, Sound und Architektur verwandeln den Industrieraum in etwas Lebendiges, Vielschichtiges und Aufgeladenes.
Gen Z Don't Cry geht den Fragen der Generationen auf den Grund – aber erwartet keine Klischees. Das gesamte Publikum trägt Kopfhörer und wird von 3D-Sound umgeben. Die Uraufführung nimmt die Unsicherheiten, Ängste und den Trotz der jungen Menschen unter die Lupe, die als Generation oft wie ein Rätsel erscheinen. Sie richtet sich nicht an die Generation Z, sondern an alle, die neugierig darauf sind, wie sich diese Generation in der Welt zurechtfindet.
Wenn Bewegung dein Einstieg ist, bleibt Sharon Eyals neueste Kreation Delay the Sadness – wie so oft – noch von einem Hauch Geheimnis umgeben. Ihre Arbeit ist für ihre hypnotische Energie bekannt. Ihre Tänzer:innen beherrschen die Bühne mit einer solchen Präzision, dass man gar nicht wegschauen kann. Die Leute sagen: „Man kann nicht aufhören zuzusehen.“ Damit haben sie nicht unrecht.
Die letzte Weltpremiere des Festivals bildet mit ihrer Größe und Kraft den krönenden Abschluss. Guernica Guernica verwandelt die Jahrhunderthalle Bochum in eine theatrale Arena: riesige Tribünen, Massenchoreografie, kein gesprochenes Wort. Man muss mit Picassos Gemälde nicht vertraut sein, um seine Wucht zu spüren. Kriegsgeschichte, Zuschauer:innenschaft und die Rolle des Publikums treffen hier aufeinander – in einem Raum, der selbst den Nachhall der industriellen und politischen Vergangenheit Deutschlands trägt. Ihr sitzt im Inneren der Performance. Ihr werdet Teil des Bildes.
Premieren wie diese gibt es nur einmal – und nur hier. Die Tour der Uraufführungen der Ruhrtriennale ist kein abhaken einer Checkliste. Es geht darum, ein Stück genau in dem Moment zu erleben, in dem es entsteht, bevor es auf Reisen geht, bevor es sich verändert, bevor es allen anderen gehört.