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GEN Z wie

Zögern Zweifeln Zittern Zwitter Zweisprachig Zwanzigsomething Zwänge Zwanzigzwanzig Zoom-In Zeitverlust Zoom Zerschleunigung Zwanzigeinundzwanzig Zwanzigzweiundzwanzig Zweihaushalteregelung Zwanzigfünfundzwanzig Zeitvergessenheit Zoll Zoom-Out Zumutungen Zufeigungen Zwischenmenschlichkeiten Zwischenwelten

Die Herausforderung unserer Zeit ist nicht einfach; gegen das einzelne, große Schweigen zu schrei(b)en; sondern im Ohrenbetäubenden noch einander zu hören; während der flashy Dauerwerbesendung eines Todeskults auf Leben zu beharren.

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Ich könnte irgendwas schreiben, darüber, wie ich die erste Generation seit Kriegsende bin, die es nicht ~einmal besser haben wird als die Eltern~.

Welches Kriegsende aber, wessen Eltern? 

Könnte irgendwas über skinny, baggy, low rise jeans erzählen, wie in meinem Kleiderschrank einst neonbunte Röhren hingen und Kleidergrößen, von denen ich mich längst verabschieden hätte müssen, es aber nicht schaffe. Wie ich meine Hosen heute baggy mag und damit kurdische Shalwar meine. Wie ich, 1996 geboren, den Aufstieg und Fall des Girl Boss‘ miterlebt habe und jetzt mit konservativen Rollenbildern, neu verpackt als trad wives, gefüttert werde, warum nach #metoo, wie fallende Dominosteine, nun Takes über divine female/male energy folgen. 

An diesem Text sei alles cropped außer meine Curtain Bangs.

1996: – je nachdem, welche Thinkpieces, Marketingberichte oder Kulturpodcasts eins fragt, bin ich entweder einer der letzten Millennials oder schon einer der ersten Vertreter*innen der Generation Z. Ein Zillenial, was sich mehr nach seltenem Erdmetall anhört als einer gesellschaftlich relevanten Positionalität. Aber nun gut. Zum ersten Mal habe ich das Gefühl während des Schreibens tatsächlich den Alten, Weißen Männern™ und sich in den Verhältnissen gut eingerichtet habenden Boomer-Frauen den Job wegzunehmen. Texte über Generationen werden v.a. das: über sie geschrieben, nie mit ihnen, seltenst von ihnen. Letzteres beklage ich nicht mal, dafür habe ich zu viele Millennial-Blogger*innen und -Podcaster*innen absolut niederträchtige Vereinnahmungen ganzer Geburtenjahrgänge für den Click-, Rage-, Buchvertrags-Bait vornehmen sehen. 

Vorab: Der Begriff „Gen Z“ ist keine neutrale soziologische Kategorie, sondern ein Produkt mit einer Geschichte – und diese Geschichte ist eng verwoben mit Marketing, Konsumlogik und dem Bedürfnis, Menschen in klar definierbare Zielgruppen zu zerlegen. Zielgruppen müssen, neben Definierbarkeit, v. a. eins mitbringen, um als Zielgruppe ‚entdeckt‘ zu werden: monetäres Potential. Also: die Fähigkeit, Geld auszugeben bzw. anderen Gruppen Geld einzubringen.

Oft wird Gen Z als „woke“ und gesellschaftlich progressiv beschrieben. Das ist zum Teil richtig – vor allem, wenn man sich die Sichtbarkeit junger Aktivist*innen ansieht. Aber der mediale Fokus verzerrt: Für jedes virale Klimaprotest-Video gibt es unzählige junge Menschen, die mit Politik wenig anfangen können, weil Politik wenig für sie anfängt, oder sie selbst reaktionäre Ansichten vertreten.

Das ist kein Vorwurf, sondern ein Hinweis darauf, dass der Generationenbegriff zu grob ist. Er verschleiert soziale Unterschiede: Wer in einem gut situierten urbanen Umfeld aufwächst, hat ganz andere Chancen und Zugänge als jemand aus einem prekären, ländlichen Haushalt – selbst wenn beide im gleichen Jahr geboren sind. Wer mit Fluchtgeschichte eingeschult wird, hat mit ganz anderen Vorurteilen und Hürden zu kämpfen, als Kinder, deren Kindlichkeit noch nicht auf härteste Proben gestellt wurden und v.a. deren Kindlichkeit nicht ab dem ersten Barthaarwuchs angezweifelt wird. 

Wenn wir Gen Z sagen und Schlüsse ziehen wollen wie: ‚Elterngeneration in Frieden aufgewachsen‘, dann ist das voreilig und verkennt, wie immer, die Realität Deutschlands als Einwanderungsland, so sehr es sich auch als Abschottungsland Abschiebeland Ausländerrausland wieder und wieder zu profilieren vermag.

Eine Gruppe, die meiner Wahrnehmung nach besonders gern über die Gen Z schreibt und über ihre Arbeitsmoral klagt, sind die Arbeitgeber*innen bzw. Profiteure anderer Menschen Arbeitskraft, Arbeitnehmer*innen genannt. Als freischaffende Autor*in habe ich nicht mal die Möglichkeit des Quiet Quittings. Wem soll ich denn kündigen, meinem Vermieter oder der gesetzlichen Krankenkasse? Eher nicht. Ich will heute auch nicht über meine Arbeitsfähigkeit schreiben. Ich habe einen Grad der Behinderung von 40, bin wie viele Klassengeschwister unter dem Brennglass der akademischen Ordnung verbrannt und verdinge mich nun eben seit dem 18. Lebensjahr mit Aufträgen, Auftritten, im Grunde: Gig-Economy, nur ein Müh romantisierter in der Selbstausbeutung, da meist im Kulturbetrieb angesiedelt. So mutig. Toll. 

Ich will einen Schritt zurück gehen, retrospektiv, nicht regressiv gemeint. Im frühen 20. Jahrhundert schon versuchten Soziologen wie Karl Mannheim das Konzept einer „Generationenlagerung“ zu beschreiben: Die Idee, dass Menschen, die in einer bestimmten Zeitspanne geboren sind, durch ähnliche historische Ereignisse geprägt werden. Das klingt erstmal plausibel – die Weltwirtschaftskrise oder der Fall der Berliner Mauer haben schließlich ganze Jahrgänge beeinflusst.

Mit analytischer Schärfe ausgestattet könnte das sogar ein fruchtbares Unterfangen sein, beispielsweise um Generationenkonflikte und Weltbilder kritisch zu hinterfragen. Statt differenzierter Milieustudien in Diskursräumen und sich zu ernst nehmenden Feuilletontexten aber lese ich meist simple Labels: Boomers, Gen X, Millennials, Gen Z, Alpha-Kids. Die Zeiträume werden willkürlich, die geographischen Strukturen oft gar nie benannt, Beobachtungen und vermeintliche Eigenschaften oft auf Klischees reduziert. Generationenbegriffe werden so zu einer Art moderner Astrologie: unterhaltsam, manchmal erhellend, aber oft viel zu grob, um den Realitäten gerecht zu werden.

Verstehen Sie mich nicht falsch – es war ein einschneidendes Moment meiner Biographie als ich 2015 erfuhr, dass ich garnicht Waage bin, sondern Skorpion, trotzdem aber Aszendent Waage und dazu Mondzeichen Fische. 

Trotzdem muss ich darauf hinweisen, dass meine Realität einerseits von den Zeichen der Zeit geprägt ist, aber die Art und Weise, wie diese prägen, immer noch auch in Beziehung steht zu meiner Klasse, meiner körperlichen Versehrtheit, meinem Namen, Hintergrund, Vordergrund, meiner Sozialisierung als weiblich gelesene Person nicht-binären Geschlechts und meinen Diskriminierungserfahrungen als kurdische Person und Kind zweier Migrant*innen, die zwar quiet quitten könnten in ihren systemrelevanten Jobs, aber im Gegensatz zu mir sich nie krankschreiben lassen, weil sie gelernt haben: sie sind hier maximal zum Arbeiten, nicht mehr, nicht weniger. 

Mein kleiner Bruder, 2002 geboren und damit ebenfalls Gen Z, tickt so dermaßen anders als ich. Wo ich die Welt an Kapitalismus und Neoliberalismus zu Grunde gehen sehe und gerade deswegen nicht mitmachen will, ist er, männlich sozialisiert und mit entsprechenden Hustle-Playlists von Spotify versorgt, noch der Überzeugung, er könne es schaffen.. 

Einer meiner ersten Erinnerung von Welt ist knapp vor ihm gelagert, im Jahr 2001. 9/11 und ich sitze in einem Stuhlkreis im Kindergarten, auf den ein Jahr später kein Stuhlkreis in der Grundschule folgt, als die US-Invasion des Iraks, dem Staat, der auch das Gebiet aus dem meine Eltern stammen, besetzt und damit die Sommerferienplanung stark verkompliziert. Als wir das nächste mal runterfliegen, passiert das über Damaskus und dann weiter mit dem Auto. 10 Jahre später werde ich an der türkisch-irakischen Grenze stehen und Militärflieger niedrig über mich sausen sehen und hören, als ich mit meinem Vater allein zurück nach Deutschland fahre. Baba sagt, das sind sicher die Russen. Baba sagt, Syria. 

Zuvor: Finanzkrise und Bankenrettungen, ‚Es ist ein Mädchen!‘ und sie wird als Kanzlerin meine gesamte Jugend bleiben, ‚Wir sind Papst!‘ und die Normalisierung von Deutschlandfähnchen überall, obwohl Schrebergärten und Balkone garkeine Bundesbehörden sind.

Danach: ein kurzer Sommer ‚Refugees Welcome‘, ein ewiger Winter im Kaltland, die anhaltende Dezimierung der Bio-Diversität, das endgültige Fallen jedweder Maske, die sich nicht erst im Rahmen einer mehrjährigen globalen Pandemie aufgesetzt wurde, mit der westliche Staaten ihre Überlegenheit behaupten, nicht der erste seit xy, aber ein neuer, junger Krieg in Europa, der nun auch schon Jahre andauert. 

Ukraine, Sudan, Kongo, Palästina und immer wieder: wirtschaftliche Interessen, Komplizenschaft, Militarismusgehabe, das Militarismusausgaben bedeutet. Geld für Aufrüstung und Krieg statt für Bildung, bezahlbares Wohnen, Gesundheit und eine konstruktive Kultur statt einer Kultur der Zerstörung. 

Gen Z, wie stehst du zur Wehrpflicht? 

Gen Z wo sind deine global friends in der Epidemie der loneliness? 

Gen Z, kein Sozialstaat fängt dich, wenn du fällst. 

Wenn ich meiner Generation eines wünsche, dann dass jene, die für das Leben kämpfen einen langen Atem haben. Dass jene, die Schutzräume halten wollen und um ihre Dringlichkeit wissen, auch Räume finden zur Erholung. Dass diese Kämpfe auch über Generationen hinweg verbinden. Als jemand, der noch die analoge Kindheit und die digitale Jugend erlebt hat, empfinde ich oft einen seltsamen Zwiespalt. Einerseits habe ich Nostalgie nach einer Zeit, in der Kommunikation langsamer und weniger überwacht war. Andererseits weiß ich, dass meine Generation von den Vorteilen digitaler Vernetzung profitiert – ob durch Zugang zu Wissen, kreative Selbstverwirklichung oder politische Mobilisierung. 

Doch die Kehrseite ist ein permanentes Gefühl der Unsicherheit: Klimakrise, ökonomische Instabilität, algorithmische Kontrolle. Der Druck, sich ständig neu zu erfinden, um relevant zu bleiben, ist enorm – und er wird oft als „Flexibilität“ romantisiert. Eigenverantwortung. DIY-Culture. Hustle halt. 

Gen Z, do cry. Gen Z, get some sleep. Gen Z, be ready. 

Es kommen härtere Zeiten und nichts daran, weich bleiben zu wollen, ist Schwäche. 

Gen Z, organize. Gen Z, disobey. Gen Z, don’t become your parents please.

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Über die Autor:in

Miedya Mahmod, geboren und wohnhaft im Ruhrgebiet, beschäftigt sich seit 2016 mit Papier- & Bühnenlyrik, schreibt kleine Prosa, lange Gedichte & alles dazwischen. They ist Teil des post-deutschen Kollektivs parallelgesellschaft. They ist Mitherausgeber*in des LytterZine, der ersten Illustrierten für Lyrik auf Twitter (r.i.p.) von User*innen für User*innen, & wirkte an der ersten deutschsprachigen Poetik-Klausur zu Spoken Word beim Literaturfestival Hausacher LeseLenz mit. 2024 war Mahmod mit einer Installation in der Ausstellung KÖRPER:SPRACHEN (Burg Hülshoff) vertreten & Hauskünstler*in des Center for Literature. Knapp im Stechen des diesjährigen Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs ausgeschieden, wurde they jüngst der Förderpreis Ruhr verliehen.

Autor: Miedya Mahmod | 18.9.2025